Kaum hatte sich Jakob Prandtauer 1692 in St. Pölten niedergelassen, lief das Geschäft auch schon an. Zu den ersten Aufträgen, die der Tiroler erhielt, zählte die Aufgabe, Brücken zu errichten.
Brücke über die Melk. Modell nach einem Entwurf Jakob
Prandtauers (St. Pölten, Stadtmuseum). Idee und
Koordination:
Martin Helge Hrasko und Doris Zichtl. Modellbau: Roman Holzer
Bei der Überquerung einiger Nebenflüsse der Donau war es wiederholt zu Unglücksfällen gekommen. Auf Wunsch der Niederösterreichischen Stände (heute würde man von der Niederösterreichischen Landesregierung sprechen) sollte Prandtauer jeweils eine Brücke über die Erlauf, die Melk, die Pielach, die Traisen, die Url und die Ybbs errichten.
Eine große Sache, denn die Errichtung von Brücken zählte zu den schwierigsten Aufgaben, mit denen ein Baumeister in der Barockzeit betraut werden konnte!
Brückenbau in der Barockzeit
In seinem 1726 erschienenen „Theatrum Pontificale“ weist Jacob Leupold darauf hin, dass der Bruecken-Bau unter die vornehmsten und wichtigsten Wercke der buergerlichen Bau-Kunst zu zehlen ist. Der Architecto benötigt Verstand, Klugheit, Erfahrung, ja alle Kuenste und Wissenschaften. Er muss nicht nur in der Arithmetic und Geometrie erfahren seyn, die Laenge, Breite und Tieffe des Strohms wohl und genau auszumessen, alles in einem richtigen und accuraten geometrischen Riß zu bringen, die Summa aller Materialien, als: Steine, Holtz, Kalck, Eisenwerck, ec. anzugeben, und endlich auch die Bau-Kosten zu determiniren: Sondern er muß auch ein guter Physicus seyn, alle Eigenschafften der Bau-Materialien wohl verstehen, und ihre Fehler und Guete wohl zu unterscheiden wissen ...
Nichts als Diskussionen ...
1695 legte Prandtauer erste Risse für die Brücken vor. Ein Jahr später wurde testweise die Brücke über die Erlauf errichtet. Danach wurde zwar intensiv über
die weiteren Brücken diskutiert, Prandtauer entwarf Alternativen (im Niederösterreichischen Landesarchiv haben sich insgesamt 12 Brückenrisse erhalten), doch das Projekt wurde nicht realisiert.
Das lag freilich nicht an Prandtauer, sondern an den Niederösterreichischen Ständen und den Eigentümern jener Grundstücke, über die der Zugang zu den Brücken führen sollte. Jahrelang wurde diskutiert, wo die Brücken genau errichtet werden sollten und vor allem wer die Kosten für den Bau sowie die Erhaltung tragen sollte. Zu einer Realisierung kam es erst ab den 1720er-Jahren – offenbar ohne Beteiligung Prandtauers, der 1726 starb.
Jakob Prandtauer, Brücke über die Erlauf, Aufriss und Grundriss in mehreren Schnittebenen, lavierte Federzeichnung (St. Pölten, NÖLA, Panzerschrank, F.1.25)
Fazit
Nicht ein Auftrag für ein Kloster wie Melk, Herzogenburg oder St. Florian stand also am Beginn von Prandtauers Karriere, sondern der Auftrag, Brücken zu bauen. Auch wenn letztendlich nur
eine einzige Brücke errichtet wurde, die aufgrund ihrer Holzbauweise natürlich schon lange nicht mehr existiert, zeigt der Auftrag, dass Prandtauer bereits bei seinem Zuzug nach St. Pölten einen
guten Ruf, vor allem als technisch versierter Baumeister, hatte.
Hinzu kommt, dass in den Niederösterreichischen Ständen auch der Abt von Melk und der Propst von Herzogenburg vertreten waren, mit denen Prandtauer über die Brückensache erstmals in Kontakt kam.
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