Jakob Prandtauer wurde 1660 in Stanz in Tirol geboren, einem kleinen Dorf ca. achtzig Kilometer westlich von Innsbruck, zweihundert Meter oberhalb von Landeck.
Seine Eltern, Simon Prandtauer und Maria Lentsch, hatten 1643 geheiratet und besaßen in Stanz ein stattliches Haus.
Der Bau hat sich bis heute erhalten und befindet sich im Besitz von Christoph Kössler.
Das genaue Geburtsdatum Prandtauers kennen wir nicht. Mit dem 16. Juli 1660 ist, wie so oft in der Barockzeit, nur das Datum der Taufe überliefert.
Prandtauer hatte sage und schreibe sieben Schwestern! Sie hießen Maria, Katharina, Ursula, Elisabeth, Anna, Margreth und Barbara. Zumindest vier Schwestern waren älter als er. Die Eltern waren vermutlich ziemlich glücklich, als 1660 mit dem kleinen Jakob endlich ein Sohn auf die Welt kam.
1677 verließ Jakob Prandtauer sein Elternhaus und zog ins benachbarte Schnann, wo er bis 1680 eine Maurerlehre absolvierte. Anschließend verliert sich seine Spur für zwölf Jahre. Erst 1692
hören wir wieder von ihm, und zwar mit seinem Hauskauf in St. Pölten.
Wo aber war Prandtauer in der Zwischenzeit? Die Indizien, darunter die späte Ausstellung seines Maurerlehrbriefs im Jahr 1693 (mehr dazu im Buch), deuten meiner Meinung nach darauf hin, dass er nicht, wie die Literatur bislang vermutet, dauerhaft seine Heimat verlassen hat, sondern Saisonarbeiter war.
Unterwegs als Saisonarbeiter
Saisonarbeit und Auswanderung waren im 17. und 18. Jahrhundert für viele Tiroler die einzigen Möglichkeiten, zu überleben. Das Verlassen der Heimat war nicht die Ausnahme, sondern die
Regel.
Die Bevölkerung wuchs laufend und die landwirtschaftliche Nutzfläche war in den Bergtälern begrenzt. Hinzu kam, dass sich im 17. Jahrhundert das Klima wandelte; niedrige Temperaturen und kühle
sowie verregnete Sommer führten zu geringeren Ernteerträgen. Schließlich galt bei Erbschaften häufig das Prinzip der Realteilung, dem zufolge ein Grundbesitz nicht einem Erben zufiel, sondern auf
alle aufgeteilt werden musste.
Handwerker waren also zu Mobilität gezwungen, was allerhand Vorteile mit sich brachte: Die Arbeit abseits der Heimat sorgte einerseits für finanzielle Absicherung und andererseits für eine entscheidende Erweiterung des Wissenshorizontes. Die Saisonarbeiter verließen ihre Heimat meist im März, und zwar in Gruppen bis zu einhundert Mann, und kehrten nach sechs bis acht Monaten bis Martini (11. November) wieder zurück.
Jakob Prandtauer wird in St. Pölten ansässig
Wann Prandtauer nach St. Pölten gezogen ist, wissen wir nicht. Die erste Nachricht, die ihn dort nennt, datiert vom 16. Juli 1692. An diesem Tag erwarb er ein Haus, das er in der Folge von Grund auf umbaute (heute präsentiert es sich, in der Klostergasse 15 gelegen, in stark veränderter Form).
Am 21. Juli 1692, also nur fünf Tage nach dem Hauskauf, heiratete Prandtauer. Diese beiden Ereignisse, Hauskauf und Heirat, setzen voraus, dass er bereits eine gewisse Zeit in der Region des heutigen Ostösterreich ansässig war.
Sehr wahrscheinlich hat er zunächst in der Wiener Werkstatt des gut beschäftigten Baumeisters Christian Alexander Oedtl gearbeitet. Oedtl stammte ebenfalls aus Tirol und könnte seinem etwas jüngeren Kollegen bei dessen Zuzug nach St. Pölten behilflich gewesen sein.
Das könnte Sie auch interessieren
Wenn Sie den Newsletter via E-Mail abonnieren, erhalten Sie in lockerer Folge die neuesten Blogartikel zugeschickt und bleiben natürlich auch über das Buchprojekt auf dem Laufenden.
Kommentar schreiben