Das Benediktinerstift Melk gilt mit Recht als Haupt- und Lebenswerk Jakob Prandtauers. Von 1702 bis zu seinem Tod im Jahr 1726 war er mit der baulichen Erneuerung des Klosters befasst – in Anbetracht der Tatsache, dass Prandtauer 1702 noch am Anfang seiner Karriere stand, könnte man sagen: Melk hat ihn nahezu sein ganzes Baumeisterleben lang beschäftigt.
Regelmäßig reiste Prandtauer von St. Pölten zur Baustelle, um das Geschehen zu überwachen, um bei Bedarf neue Entwürfe anzufertigen sowie Kalkulationen zu erstellen und natürlich auch, um mit seinem Auftraggeber Abt Berthold Dietmayr (geb. 1670, amt. 1700–1739) zu sprechen. Der war bei Baubeginn 32 Jahre alt, also noch relativ jung, und zudem ehrgeizig.
Der Bauherr Abt Berthold Dietmayr – eigenwillig und großzügig
Für Prandtauer war Berthold Dietmayr kein einfacher Auftraggeber. Wiederholt änderte der Abt seine Wünsche, zudem machte er Prandtauer regelmäßig Vorgaben, wusste aber seine Leistung durchaus
auch zu schätzen.
Immer wieder erhielt der Baumeister nach dem Abschluss größerer Teilprojekte zusätzlich zu seinem jährlichen Honorar in Höhe von 300 Gulden Sonderzahlungen. Als der Rohbau der Melker Stiftskirche
fertig war, bekam er sogar 1.500 Gulden, also das Fünffache seines Jahreshonorars!
Bezahlt wurde mit Geld. Nur ein einziges Mal wich der Abt von dieser Vorgangsweise ab, und zwar als es um ein Modell für das Portal der Melker Stiftskirche ging ...
Luxusgüter statt Geld
Für dieses Modell erhielt Prandtauer am 2. Februar 1714 insgesamt 50 Pfund bzw. 24,5 kg Kakao (Bohnen?) und 75 Stangen Vanille im Gesamtwert von 75 Gulden, was beachtlichen 25 Prozent seines Jahreshonorars entsprach.
Im Rechnungsbuch heißt es:
H[errn] Prandauer extra angeschafft 75 f wegen des Modell, daran mit 50 [Pfund] caccau à 40 x zalt 33 f 20 x und 75 Stängl Baniglios das bischl [Büschel] zu 16 f 24
x zusammen 57 f 20 x. ... 75 f. (Stiftsarchiv Melk, 11. Bauamt 6, Baurapular 1714, fol. 3r; f. steht für Gulden, x für Kreuzer).
Kakao und Vanille waren im Jahr 1714 Luxusgüter, wobei man Vanilleschoten unter die Chocolate mischte, da diese einen lieblichen Geruch und Geschmack machten, also den bitteren Geschmack des Kakaos beseitigten.
Warum Kakao und Vanille als Honorar?
Darüber können wir nur spekulieren. Möglicherweise war Berthold Dietmayr just in dem Augenblick, in dem es Prandtauer zu bezahlen galt, in den Besitz einer größeren Menge dieser Luxusgüter gekommen. Vielleicht hat der Abt außerdem sehr genau gewusst, womit er seinem Baumeister eine Freude machen konnte!
Und das Modell?
Das hat sich leider nicht erhalten, es scheint aber indirekt durch jenes Modell überliefert zu sein, das die am Eingang des Klosters stehende Figur des Hl. Leopold in Händen hält.
Mit dem Modell Prandtauers waren die Weichen für die Ausführung des Portals übrigens 1714 gestellt, trotzdem geschah zunächst einmal nichts. Das ist nicht erstaunlich, denn es galt noch über viele Jahre große Gerüstteile und Ausstattungsstücke (z.B. für die Altäre) durch die provisorische Wandöffnung in der Mitte der Kirchenfassade zu transportieren.
Erst 1730 hören wir wieder von dem Portal. Die Bau-Jahresrechnung berichtet:
Das große Portail zu welchen ein sonderbahres Modell vorhero auß Tischler Arbeith gemacht, und außer der Haubt Kirchen Thür zu stehen kommen wirdt, liget auß Eggenburger-Stein biß zur
Aufsäzung meistens verfertigt.
1732, also exakt dreißig Jahre nach Baubeginn der Melker Stiftskirche und sechs Jahre nach dem Tod Prandtauers, wurde das Portal schließlich errichtet, wobei die Endredaktion in den Händen des Baumeisters Christian Alexander Oedtl lag.
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Abbildungsnachweis:
Porträt des Abtes Berthold Dietmayr: Stift Melk, Augustin Baumgartner, Graz
Vanielleschoten: Shutterstock.com: Bildnummer: 116603938, Urheberrecht: Andrii Gorulko
Alle anderen Abbildungen: Huberta Weigl
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