Die Kalendernotizen des Dürnsteiner Propstes Hieronymus Übelbacher

Stift Dürnstein
Stift Dürnstein

Von 1710 bis 1740 stand Hieronymus Übelbacher dem Augustiner-Chorherrenstift Dürnstein als Propst vor. In dieser Zeit wandelte sich das Aussehen des Klosters grundlegend: Durch einen Umbau wurde aus der Anlage des 14. bis 17. Jahrhunderts ein moderner und durchaus repräsentativer Komplex. Zum Umbau haben sich keine Pläne und nur wenige schriftliche Quellen erhalten. Die wichtigste Quelle stellen die Schreibkalender Propst Hieronymus Übelbachers dar, die nun, dank Helga Penz, in edierter Form vorliegen.

Die Schreibkalender von Hieronymus Übelbacher werden heute im Archiv des Augustiner-Chorherrenstiftes Herzogenburg verwahrt, zu dem das Stift Dürnstein seit seiner Aufhebung im späten 18. Jahrhundert gehört. Sie sind eine Quelle mit Seltenheitswert.

Die Kalendernotizen: Einblicke in die Lebenswelt eines Prälaten

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Propst H. Übelbacher

Der Propst hat in den Kalender alles akribisch festgehalten, was ihm im Hinblick auf das Baugeschehen interessant erschien (Inhalte von Verträgen, Ausgaben, Ärgernisse etc.) – aber nicht nur das! Er berichtet auch, wen er wann getroffen hat, er notiert Witze und Rezepte. Er dokumentiert seine Buchankäufe ebenso wie seine Krankheiten, und das alles in einer sehr unmittlbaren Sprache.


Die Schreibkalender waren seine persönlichen Gedächtnisprotokolle, sie dienten dem Propst aber auch zur Organisation von Terminen. Dem Leser unserer Tage erlauben Sie einen ungewöhnlich direkten, ja fast schon intimen Einblick in das Leben des vielseitig interessierten und zugleich sehr sparsamen Propstes.

Die Kalendernotizen sind der Forschung seit vielen Jahren bekannt, vollständig gelesen und ausgewertet hat sie aber bislang kaum jemand. Das ist nicht erstaunlich, denn zum einen handelt es sich um einen ziemlich umfangreichen Bestand (14 dicht beschriebene Kalender; von einem weiteren Kalender haben sich einige Fotos erhalten), zum anderen sind die auf Deutsch und Latein verfassten Notizen des Propstes keineswegs immer leicht zu entziffern und zu verstehen.

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Stiftsarchiv Herzogenburg, Kalender Propst Hieronymus Übelbachers, 1721

Neuerscheinung: Edition und Kommentar von Helga Penz

Die Historikerin Helga Penz hat sich im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsprojektes mit unglaublicher Ausdauer und Genauigkeit der Mühe unterzogen, die Kalendernotizen Propst Hieronymus Übelbachers zu edieren und zu kommentieren. Seit ein paar Tagen liegen die Ergebnisse ihres Projektes in Buchform vor. 

Die im Böhlau Verlag erschienene Publikation ist mit 510 Seiten ein richtiger Wälzer. Sie gliedert sich in zwei große Abschnitte: Im ersten stellt Helga Penz die Kalender im Detail vor. Harald Tersch befasst sich in einem Gastbeitrag auf allgemeiner Ebene mit Schreibkalendern als Informationsmedium der Barockzeit. Im zweiten Abschnitt folgen auf rund 310 Seiten die Kalendernotizen Propst Übelbachers samt Kommentar. Den Abschluss der Publikation bilden mehrere Glossare und Register, die dem Leser die Benutzung wesesentlich erleichtern.

 

Besonders interessant ist in meinen Augen übrigens das Sachregister, denn Helga Penz hat sich dafür entschieden, hier die in den Kalendernotizen vorkommenden Ausdrücke in der originalen Schreibweise aufzunehmen. Wer nicht weiß, dass mit bluthkasten auch das Herz gemeint sein kann oder dass ein hierngrilerl ein Girlitz, eine Finkenart, ist, erfährt dies über das Register bzw. den Querverweis zu den Kommentaren. Das Buch von Helga Penz ist damit auch eine Art Lexikon des barocken Alltags.

Jakob Prandtauer und das Stift Dürnstein

Für die Frage nach dem Anteil Jakob Prandtauers am Umbau des Stiftes Dürnstein ergibt sich aus der Publikation von Helga Penz nicht allzu viel Neues. Der Name Prandtauers fällt in den Kalendereinträgen nämlich nur ein einziges Mal, und zwar im Zusammenhang mit dem Umbau des Dürnsteiner Klarissenklosters in einen Schüttkasten.

 

Das hat in der Literatur zu wilden Spekulationen geführt. Im Wesentlichen sind es vier Personen, deren Anteil am Klosterbau seit mehr als 100 Jahren diskutiert wird: Jakob Prandtauer, Joseph Munggenast, Matthias Steinl und Propst Hieronymus Übelbacher.

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Stift Dürnstein, Eingangstrakt

Propst Hieronymus hat den Künstlern laufend Vorgaben gemacht und wiederholt für einzelne Bauteile (z.B. das Kirchenportal) Entwürfe verschiedener Künstler herangezogen. Wer sich dem Stift Dürnstein unter rein künstlermonografischen Gesichtspunkten nähert und unbedingt ein (einziges) Namensetikett an die Klosteranlage kleben will, wird unweigerlich entweder scheitern oder zu falschen Schlüssen gelangen. Er wird aber letztendlich auch dem Bau und seiner facettenreichen Geschichte nicht gerecht.

 

Und der aktuelle Kenntnisstand? Soweit sich heute sagen lässt, leitete den Bau zunächst Jakob Prandtauer, der auch die Weichen für die Art des Umgangs mit dem Altbestand stellte (so wurden etwa den alten Fassaden neue vorgeblendet). 1717/19 dürfte die Bauleitung dann auf Joseph Munggenast übergegangen sein. Es waren also zunächst Prandtauer und später dann Munggenast, die Propst Übelbacher bei der Umgestaltung seines Stiftes zur Seite standen. Das bedeutet freilich nicht, dass sie alleine die Entwürfe geliefert und die Baugestalt festgelegt haben. In Dürnstein verschmelzen Ideen verschiedener Künstler miteinander, und die Kalendernotizen zeigen deutlich, wie stark Hieronymus Übelbacher in das Baugeschehen involviert war. Als Auftraggeber sprach er entscheidend mit.

Fazit

Die Schreibkalender von Hieronyms Übelbacher bilden einen nicht nur für die Kunstgeschichte, sondern auch für die Sozial- und Kulturgeschichte faszinierenden und interessanten Quellenbestand. Dank Helga Penz und ihren Mitstreiterinnen (Edeltraud Kando und Ines Weissberg) liegt dieser nun erstmals ediert und kommentiert vor.

Wer sich für das Stift Dürnstein oder den Alltag in einem Kloster der Barockzeit interessiert, braucht jetzt nur mehr zu dem Buch von Helga Penz greifen und kann bequem am eigenen Schreibtisch die Aufzeichnungen des Propstes studieren. Da Hieronymus Übelbacher seine Kalendernotizen nicht als Tagebuch, sondern als Selbstzeugnis im Hinblick auf die Nachwelt verstanden hat, hätte auch er übrigens bestimmt auch eine Freude mit der Neuerscheinung.

 

Die Buchpräsentation findet am Samstag, 12. Oktober 2013 um 16 Uhr im Stift Dürnstein statt. Anmeldung: Stift Herzogenburg, Prälatur: 02782/83112-13 (Mo.–Fr. von 8 bis 12 Uhr) bzw. praelatur@stift-herzogenburg.at.

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© Böhlau

Helga Penz, die Kalendernotizen des Hieronymus Übelbacher, Propst von Dürnstein 1710-1740. Edition und Kommentare (unter Mitarbeit von Edeltraud Kando und Ines Weissberg), Böhlau Verlag, Wien 2013 (= Quelleneditionen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Bd. 11, hrsg. von Brigitte Merta und Andrea Sommerlechner) 


510 Seiten, 13 SW-Abb. und 1 Karte

24 x 17 cm

Preis: € 98.00

E-Book

Informationen auf der Website des Böhlau Verlags
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