Als Allrounder hat Jakob Prandtauer auch Schüttkästen errichtet, der schönste ist sicherlich der Schüttkasten in Primmersdorf (Niederösterreich). Was aber ist ein "Schüttkasten" und was weiß man über den Bau? Ein „Schüttkasten“ ist ein rechteckiger, mehrgeschoßiger Bau, der früher der Lagerung von Getreide diente. Das Getreide wurde nach der Ernte auf trockenen Böden in hölzernen Kästen aufgeschüttet. Schüttkästen wurden gemauert und anschließend verputzt. Um sie vor Feuer zu schützen, errichtete man sie in der Regel etwas abseits der übrigen Gebäude. Zudem sollte möglichst wenig Licht in den Raum dringen, daher waren die Fenster klein.
Worauf es beim Bau eines Schüttkastens sonst noch zu achten galt, erläutert Johann Heinrich Zedler in seinem 1731–1754 erschienenen „Universal-Lexicon“:
Endlich sollen auch die Fenster mit eisernen Drat-Gittern, oder doch zum wenigsten mit gestrickten Netzen vor Tauben und Voegeln verwahret, und der Getraide-Boden sonst allenthalben der Gestallt vermacht werden koennen, daß weder Regen noch Schnee, weder vierbeinigte noch zweybeinigte Maeuse, unter denen manchmahl auch einheimisches diebisches Gesinde mit laeufft, noch anderes Ungeziefer dazu kommen kann.
Die Geschichte des Schüttkastens in Primmersdorf
Von 1702 bis 1851 befand sich das Gut Primmersdorf im Besitz des Stiftes Herzogenburg, dem es als Verwaltungsmittelpunkt für die Zehentrechte im nördlichen Waldviertel diente. Nach dem Ankauf des Gutes ließ das Kloster verschiedene Um- und Neubauten in Primmersdorf vornehmen. So wurde unter anderem der mächtige dreigeschoßige Schüttkasten errichtet, der sich bis heute – ein seltener Glücksfall – in weitgehend originalem Zustand erhalten hat.
Mit einer Nutzfläche von knapp 300 Quadratmetern pro Geschoß gehört der Primmersdorfer Schüttkasten zu den größten seiner Art.
Den Baubeginn dürfte die Jahreszahl 1706 über dem Portal angeben. Vollendet wurde der Schüttkasten wahrscheinlich 1712. In diesem Jahr verrechnete jedenfalls ein namentlich nicht genannter
Zimmermeister aus dem benachbarten Drosendorf 47 Fensterstöcke aus Eichenholz – eine Zahl, die mit der Fensterzahl des Schüttkastens übereinstimmt.
Wer den Schüttkasten entworfen hat, geht aus den Quellen nicht hervor. Aufgrund der Tatsache, dass Jakob Prandtauer im Auftrag des Stiftes Herzogenburg bereits 1694 bis 1700 den Pfarrhof von Haitzendorf errichtet hatte, ist zu vermuten, dass er vom Kloster auch für den Bau des Schüttkastens herangezogen wurde.
Die Rolle der "Kleinbauten" im Werk Jakob Prandtauers
Jakob Prandtauer hat den Primmersdorfer Schüttkasten mehrere Jahre vor dem Herzogenburger Klosterneubau errichtet. Das bedeutet, der Schüttkasten geht als "Kleinbau" dem riesigen Klosterbau voran, und das brachte für alle Beteiligten einen entscheidenden Vorteil mit sich: Man kannte einander bereits, als es in Sachen Klosterneubau 1713 ernst wurde! Wer als Auftraggeber ein derartig großes Projekt wie einen kompletten Klosterneubau wagte, wusste auch in der Barockzeit gerne, was der Baumeister konnte, ob auf ihn Verlass war und ob man menschlich miteinander konnte.
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Schüttkasten in Primmersdorf
Öffnungszeiten: Mai bis
Oktober, Fr. bis So. von 10:00 bis 18:00 Uhr oder via telefonische Anmeldung
Daniel Fickenscher (Donnerstag, 30 Mai 2024 14:31)
Vielen Dank für die hervorragende Erklärung des "Schüttkastens". Ich als Piefke kannte das Wort nicht.
Huberta Weigl (Donnerstag, 30 Mai 2024 17:39)
Gern! :)